
Die WWDC 2025 war definitiv ein anderes Event als in den vergangenen Jahren. Statt großspuriger KI-Ankündigungen, die dann doch nicht geliefert werden konnten, konzentrierte sich Apple diesmal auf bewährte Stärken: Software-Design, Benutzerfreundlichkeit und die Integration zwischen den Geräten.
Ein neues Nummerierungssystem – endlich Klarheit
Nach iOS 18 kommt also iOS 26. Klingt erstmal seltsam, macht aber durchaus Sinn. Ich bezeichne mich als vertraut mit Apples Geräten und Software, musste aber auch oft nachschauen, welche Version gerade aktuell auf welcher Plattform läuft. Mit dem neuen jahreszahlenbasierten System (alle Plattformen sind jetzt auf Version 26) schafft Apple endlich Klarheit und Einheitlichkeit.
Liquid Glass: Mut zum Wagnis, aber noch nicht ausgereift
Das neue Design war überfällig – das letzte große Redesign mit iOS 7 liegt schon über ein Jahrzehnt zurück. Apple versucht hier einen schwierigen Spagat: Etwas Neues schaffen, das dennoch vertraut aussieht. Für die meisten Nutzer ist Veränderung erstmal negativ behaftet, daher ist dieser vorsichtige Ansatz durchaus richtig.
Allerdings zeigt die erste Developer Beta auch die Schwächen des neuen „Liquid Glass“ Designs: Oft sind Texte schwer zu lesen, die Kontraste stimmen nicht immer. Das Design in den Hochglanzbildern der Keynote sieht deutlich besser aus als die aktuelle Beta-Realität. Zum Glück ist noch viel Zeit bis September – Apple sollte diese nutzen, um die Lesbarkeit und Benutzerfreundlichkeit zu verbessern.
Apps: Die einen freuen sich, die anderen warten
iPhone: Telefon und Kamera werden erwachsen
Die neue Telefon-App ist durchaus gelungen und bringt endlich moderne Features mit. Bleibt abzuwarten, was von den KI-Funktionen wie automatische Warteschlangen-Unterstützung oder das Annehmen unbekannter Anrufer nach Deutschland kommt – und vor allem wann.
Die Überarbeitung der Kamera-App war längst überfällig. Die bisherige Version war mit der Zeit einfach überladen geworden. Das neue Design wirkt aufgeräumter und intuitiver.
macOS: Spotlight als heimlicher Star
Auf dem Mac gab es hauptsächlich Kleinigkeiten, aber das neue Spotlight gefällt mir besonders gut – wenn es denn so funktioniert wie in der Keynote gezeigt. Es wird sicher nicht an spezialisierte Tools wie Alfred oder Raycast heranreichen, aber für den Durchschnittsnutzer sollte es mehr als ausreichend sein. Und für mich, dem diese Tools oft zu überladen sind, ist es die interessanteste Neuerung auf dem Mac.
iPadOS: Der große Wurf
Hier hat Apple meiner Meinung nach wirklich einen großen Schritt gewagt. Das neue Fenstermanagement funktioniert schon in Beta 1 deutlich besser als das alte System, das damit auch gleich eingestampft wurde. Auch die Menüleiste ist eine willkommene Ergänzung – endlich fühlt sich das iPad beim produktiven Arbeiten weniger nach einem Kompromiss an.
Besonders freue ich mich über die Vorschau-App, die endlich den Weg aufs iPad gefunden hat. Zusammen mit neuen Features wie der Background Processes API, die Pro-Apps echte Hintergrundberechnungen ermöglicht, und den Files-App-Verbesserungen (endlich „Öffnen mit“ und Standardapps!) wird das iPad zu einer ernsthafteren Arbeitsplattform.
visionOS und watchOS: Stagnation
VisionOS und watchOS haben keine besonderen Änderungen erfahren. Das Wohnzimmer mit virtuellen Widgets zu tapezieren klingt nett in der Theorie, aber ich bezweifle, dass sich das durchsetzen wird. Der neue Trainings-Buddy auf der Watch (erstmal auch nicht in Deutschland verfügbar) könnte der erste Schritt zu einem vollwertigen KI-Trainer sein – oder schnell nervig werden.
HomeOS: Funkstille
Hier gibt es schlicht nichts Neues zu berichten. Vielleicht wartet Apple auf das mysteriöse „HomePad“, das seit Jahren gerüchteweise in der Pipeline stehen soll.
Apple Intelligence: Weniger Versprechen, mehr Realismus
Apple hat aus den Fehlern des letzten Jahres gelernt. Statt großer Ankündigungen, die dann nicht geliefert werden können, gab es diesmal nur bescheidene Verbesserungen: bessere ChatGPT-Integration in Image Playground und eine Schnittstelle in Xcode. Das war zu erwarten und ist ehrlicher als das Overengineering von 2024.
Interessant ist das neue Foundation Models Framework, das Entwicklern direkten Zugang zu Apples On-Device-KI-Modellen gibt. Hier könnte Apple tatsächlich einen Vorteil ausspielen: kostenlose, lokale KI für Entwickler, die keine Cloud-APIs bezahlen möchten oder können.
Der strategische Rückzug als kluge Entscheidung
Was auf den ersten Blick wie eine schwache WWDC aussehen könnte, ist bei näherer Betrachtung möglicherweise eine kluge strategische Entscheidung. Apple konzentriert sich wieder auf das, was das Unternehmen am besten kann: durchdachte Software-Designs, nahtlose Integration zwischen Geräten und eine Plattform, die Entwicklern echte Mehrwerte bietet.
Statt im KI-Wettrennen krampfhaft mitzuhalten, wo andere deutlich weiter sind, fokussiert sich Apple auf die Verbesserung der täglichen Nutzererfahrung. Das mag weniger spektakulär sein als Googles KI-Feuerwerk, aber für die meisten Nutzer wahrscheinlich relevanter.
Fazit: Solidität statt Spektakel
Die WWDC 2025 war keine Revolution, aber eine solide Evolution. Apple hat gezeigt, dass es aus seinen Fehlern lernen kann und wieder zu seinen Stärken zurückfindet. Das neue Design braucht noch Feinschliff, aber die Richtung stimmt. Die iPadOS-Verbesserungen sind längst überfällig und gut umgesetzt.
Manchmal ist ein strategischer Rückzug klüger als ein aussichtsloser Vormarsch. Apple konzentriert sich wieder darauf, was es am besten kann – und das ist für alle Beteiligten vermutlich die bessere Strategie.
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